2010-11-27

Müllspiel

Bergauf, durch schmuddeliges Gras, folge ich einer erratischen, bis auf die bloße Erde abgewetzten Spur. Ich trage drei volle Mülltüten, zwei in einer, eine in der anderen Hand. Ich trage diese Tüten, als ob es nichts wäre, komme mir stark vor, ich habe ja dicke Arme. Dann nehme ich alle drei in die Rechte, strecke den Arm aus, halte die Tüten am waagerechten Arm. Es ist nicht mal anstrengend. So stark bin ich.

Ich gehe, aber vor mir ein Knabe, der kämpft mit mir. Ein Spielkampf nur, halb Spaß, halb Ernst, ich wirble die Tüten als Müllpropeller. Ihm vor's Gesicht.

Da werde ich auf einmal vernünftig, weil ich mir vorstelle, wie leicht eine solche hellgelbe, dünne Plastikmembran unter der Belastung platzen und Müll explosionsartig verstreut werden könnte.

Als sei ich nun plötzlich ein anderer als der dumme Müllspieler warne ich, bitte ich den Knaben: aufzuhören, das sei es doch nicht wert.

 

2010-11-19

Grandfather reappears

The suspicion about a corpse in my grandmother's bed has existed for a long time. It's supposed to be concealed in the space between the mattress and the wall. We've been talking about this on and off, worrying mostly about ensuing legal problems. My mother and I are now meeting in an empty room off the first floor landing, finally taking the decision to make a sweep of grandmother's bedroom. The idea of a bundle of decomposing flesh crammed in there has been giving me nausea for a long time. Hauling it out will be revolting but the fact that we're now at least tackling the problem feels good. Concerning the legal repercussions - we just have to make sure that nobody finds out and very diligently dispose of the body.

I have now come into grandmother's bedroom. The first thing to do is to sweep the floor, it seems advisable to create a neat background to the forthcoming exploration. Grandmother is still in her bed, sleeping, I think. But when I get started with a large broom she gets up and leaves the room. I have disturbed her, I'm afraid, I'm really sorry.

Having swept the floorboards in front of the bed I'm getting down on my hands and knees to look under the bed wondering whether a body between wall and matress shouldn't somehow show from underneath. But I can't see anything. So I just start sweeping the floor under the bed in the course of which I detect something after all: a reddish bundle in the hindmost corner. Then several bundles. Then a very long one which, indeed, looks like a wrapped-up corpse. I can see it quite well, it's long and thin, indicating dry remains: mostly bones or mummified. No rotting flesh in any case. I am relieved about that.

Using the broom for a hook I'm hauling it out calling to the others: "I think I have it", whereupon my mother materializes near the bottom end of the bed crying eerily: "Nooo!", then, in a strange contrast: "All right". But her No sounded devastated making me think that she recognized my grandfather there. She would be devastated, I'm thinking, feeling just a trace of disdain.

It is now in the open in any case, the head uncovered. I perceive a uniform collar and a smashed helmet from World War II. The face is blackened but fully conserved, a very large face. Frightened of him even in death, I feel that in an instant I must discern his features.

 

2010-11-14

Das Zittern der Welt

Der Brückengang, schmal abschüssig, führt durch eine Landschaft dreieckiger Felsen unter dunkelgrauem Himmel. Ich bin ganz allein und die Stimmen der Kinder warnen mich vor einer bevorstehenden Katastrophe, sie rufen: ".. in dasselbe Ziel, du springst jedes Mal in dasselbe Niemand, das nennt man im Leben H .. ". Alles vibriert. Doch ich finde das Zittern und Wackeln der Welt nicht so schlimm. Unbeeindruckt laufe ich weiter. Und der Weg wird breiter.

Dann komme ich an eine massive Barriere. Ein dichtes, torfbraunes Konglomerat aus Paletten-Material, in Schichten gepresst, das an den Schichträndern kleinste Stufen bildet. Die könnten vielleicht Halt bieten könnten um das Hindernis zu erklettern, doch die Stimmen der Kinder sagen, dass es unmöglich ist da hinaufzukommen, während alles schüttelt.

Doch ich schaffe es. Sogar leicht!

Ein Stück weiter im zitternden Land sehe ich an einem verlassenen Gebäude ein Symbol für die Rasse der Opfer. Die immerzu warnenden Kinderstimmen bekommen einen noch dramatischeren Ton. Da verlässt mich der Mut und die Hoffnung aus diesem Gebiet der Katastrophe zu entkommen.

Das Schütteln wird schlimmer.

 

My dirty underwear

I'm sitting in my car, driving past the house onto a strip of lawn along the road. I didn't want to go that far but someone else has taken control of the vehicle. Finally it stops, a bit far from the house.

Anyway, I'm getting out, entering the shed. Once inside I discover how dirty my underpants are. I don't understand it because I've washed them only yesterday with the rest of my laundry. Still scrutinizing the pants I finally realize that they look so blotchy and grey because I washed them together with the new black jeans. Although the same holds true for all of the underpants in my luggage I'm thinking that maybe I can find a pair that doesn't look quite so bad.

My backpack is outside leaning against a prickly bush with no leaves. Exiting the shed I have to reach through that bush to get at my clothes while I have nothing on but a sweatshirt. That hardly covers my nakedness. Squatting behind the bush, rather worried that somebody might approach, I'm reaching through the twigs into my pack to feel for underpants inside. They must be there but I can't find them. At the same time I see a pair of eyes glaring at me through the bush. Recognizing them as belonging to my host I say something like: Hi.

But he doesn't speak.

 

2010-11-06

Ich heirate die kleine Schwarze

Zu Weihnachten in einem grauen Versammlungsraum mit niedriger Decke hatte ich die Kleine und ihre schwarze Familie meiner Mutter vorgestellt, die sehr unfreundlich war: Sie weigerte sich auch nur mit ihnen reden. Bei solchem Benehmen liegt der Gedanke an rassistische Vorurteile freilich nahe, bloß in dem Maß hatte ich das bei meiner Mutter noch gar nicht erlebt. Ich denke: Da war ja sogar meine Großmutter noch netter, die bei aller Kälte gegen die kleine Schwarze zumindest formal höflich blieb.

Eben auf der Treppe habe ich meine Freundin nun wiedergetroffen, jetzt stehen wir draußen auf der Straße. Ich liebe sie und kann dieses Glück kaum fassen. Mir fällt wieder ein, dass wir ja heiraten wollen, ich frage sie wann. Sie sagt, dass die Hochzeit für den 3. Juli angesetzt sei. In knapp drei Monaten also, an dem Tag an dem die Außerirdischen kommen.

Meine Verlobte fragt jetzt, ob ich wegen der Heirat mit meiner Mutter gesprochen hätte. Nein, muss ich ihr leider sagen, nach dem weihnachtlichen Ereignis war da einfach keine Gesprächsgrundlage mehr.

Ich umarme die kleine Schwarze und küsse sie leidenschaftlich. Allerlei Zweifel gehen mir durch den Kopf. Doch ich sage mir: Nein. Unser Glück ist wirklich.

 

2010-11-05

A disorderly game

It's a game. Two rounds are required to finish it. The game track is a slippery channel, like the recently drained bed of a dirty watercourse. Only the 'mud' is strangely firm and cuddly toys are sticking in this rubber-like substance everywhere by the wayside. Traversing the course I'm collecting points by grabbing them and just throwing them up in the air - to land where they may. It seems like vandalism and I can't even be sure that every such act will benefit me in the final reckoning but still apparently that's the trend: that creating a maximum of disorder will be rewarded. Having finished I'm standing in an dusky circular arena with high open-work walls, full of columns and vaults. My suspicions about the game have now all been confirmed.

 

2010-11-02

Begegnung mit der großen Schwarzen

In einem leeren Raum ohne Fenster bin ich allein mit einer großen Schwarzen, die ganz in Schwarz gekleidet ist. Aus der Ferne habe ich sie schon immer begehrt, nun frage ich sie ob sie mir das Geheimnis ihrer Gestalt wohl enthüllen werde. Ich erwarte freilich nicht ernsthaft, dass sie sich entkleidet. Sie aber nähert sich mir, der ich als winziges Bündel am Boden liege, stellt sich genau über mich und legt etwas ab, das ihren Schritt verdeckte. Nackt ist sie allerdings nicht, ein glänzend-glatt sandfarbener Stoff überzieht panzerhaft ihre Scham. Ich sage zu ihr, dass ich natürlich gar nichts sehe, doch sie meint: "Ja, aber die Phantasie."

Sie hat sich entfernt, steht bei der Tür und erzählt, dass meine Tochter 'herrlich kranke' Gedichte schreibe, woraus ich entnehme dass meine Tochter so krank ist wie ich. Sie ist unser gemeinsames Kind, das ich nicht sehen darf, ein schwarzhaariges Mädchen mit heller Haut. Mein Herz geht auf, wenn ich an sie denke. Ich habe im Leben ja versagt. Wird es meiner Tochter besser gehen?

Ich sehe sie - oder mich - auf einer toten Wiese liegen. 

 

 

© Anthony Thwaites