2012-03-25

Die Mathematik-Klausur

Ich sitze an einem Tisch, der rechts und links kein Ende zu haben scheint, nach vorne hin ist eine Wand. Auf dem Tisch liegt alles: Papier, Unterlagen, Diktiergerät und meine teuren Kopfhörer. In diesem Durcheinander von Dingen  bemühe ich mich eine Klausur zu schreiben: Mathematik bei Frau Groß.

Die Sache ist ziemlich hoffnungslos, weil ich im gesamten, vergangenen Schuljahr das Buch nicht gelesen habe: große, schwierige Abschnitte, die viel Arbeit machen. Es wäre möglich gewesen, aber ich habe es nicht getan, logischerweise beherrsche ich den Stoff nicht. Wenn man den Stoff nicht beherrscht, muss man das Schuljahr wiederholen. Dieser Konsequenz sehe ich nicht gerne ins Auge.

Die Stimme von Frau Groß sagt: "Schluss."

Na schön, das war es also, was ich auf diesen paar Blättern habe, ist wirklich nichts.

Ich überlege, ob ich ihr die Klausur in die Hand drücken und sagen soll: 'Es tut mir leid, das war nichts.'

Oder ich könnte gar nichts abgeben. So würde ich mir wenigstens die Schande ersparen.

Beides kommt nicht in Frage.

Ich muss jetzt die Blätter abgeben. Aber unter dem ganzen Zeug hier finde ich sie nicht, nur ein paar fotokopierte, geheftete Texte, die Frau Groß im Unterricht verteilt hatte. In einem habe ich vieles unterstrichen. Worum es da ging, habe ich nicht die mindeste Ahnung.

Ich stehe auf, der Raum wird klein, mehrere Mitschüler kommen herein, alle männlich und groß. Einige davon unangenehm, besonders derjenige, der bei der Tür steht. Ich denke, bei der Mischung von Verachtung und Ekel, mit der er mich betrachtet, würde er sich bestimmt lieber ein anderes Abteil suchen.

Immer noch auf der Suche nach meiner Klausur packe ich meine Tasche aus. Ein Durcheinander von Sachen ist darin, zum Beispiel meine teuren Kopfhörer. Und vieles, das nicht mir gehört: Ich verteile diese Dinge an ihre Besitzer. Als die Tasche fast leer ist, finde ich noch ein Paar Kopfhörer; fremde, teure, die je einen seltsamen Knubbel auf den Ohrhörern haben. Ich halte sie hoch und frage: "Wem gehören die?" Da meldet sich der Mitschüler, der bei der Tür steht, nun ganz freundlich. Der ist ja gar nicht unsympatisch. Und gutaussehend. Freilich stößt er mich körperlich ab. Aber das gilt für alle Männer.

Bis auf ein paar Unterlagen im vorderen Fach ist die Tasche nun leer, von der Klausur keine Spur. - "Meine Klausur ist anscheinend verschwunden", sage ich zu den anderen hier, mit Galgenvogel-Grinsen.

 

2012-03-21

The relocation

I'm looking at the site where my family has been relocated. Surrounded by high banks it has no building in it. Our belongings are out in the open pushed together in a disorderly fashion. 

Now we are being moved again. Lying under a table I'm watching a window box being pulled out from between the furniture. Filled with earth it has Grandmother's head sticking out at one end.Obviously her limbs have had to be packed very tight to make her fit in there. Consummate actress that she affects a timid smile that says: I'm a helpless victim of circumstance and putting a brave face on it. Then she plaintively asks the question: "I am your mother, am I not?" And indeed I am confused for it seems that the same kind of burial happend to my mother.

But I have to attend to myself right now: working myself out from under that low table. I'm on my stomach, there is no space above me. I can only inch forward, bit by bit, feeling exhausted after each bit. If I keep going I will eventually get out. But I'm afraid my strength will give out sooner.

 

2012-03-15

Ausgang einer Verabredung im Park

"Dann ist sie einfach gegangen", murmle ich käglich vor mich hin. Ich war nämlich mit ihr verabredet. Sie war auch da, aber dann ist etwas geschehen.

Die Verabredung hatte mir Sorgen gemacht, wegen dieses Mannes in ihrem Leben. Der hatte dann freilich grünes Licht gegeben: er stelle sich nicht in den Weg oder ähnliches.

Aber kurz nachdem sie kam, geschah etwas, das mich ganz außer Gefecht setzte, vielleicht der Schneefall. Seitdem habe ich wohl hier auf den Stufen gesessen.

Auf der Treppe zu einer Plattform, um die in Hügeln und Rundungen ein graugrüner Rasen liegt. Das ist meine ganze, sichtbare Welt.

Aus langer Lethargie erwacht stehe ich auf und betrachte die Stufen: Der Schnee ist geschmolzen, zusammengesunkene Reste, Eis liegt noch da.

Ich steige hinauf und blicke mich um. Sie ist fort, ich bin wirklich allein. Sie ist wohl schon lange weg.

Und ich hatte gedacht, ich hätte eine Chance.

 

2012-03-13

The thin man is in bed with me

I'm in bed, and so is a man: in the same bed. We both are under the same white sheet. He has anorexia. People with that disorder look like skeletons. And I am somehow supposed to be suffering from the same problem.

I wouldn't contradict what is said about me but something is off because I do still have flesh on my arms and legs. To show that this is so, I remove the sheet from my naked body. I'm just saying that I'm not that thin and that is a difference between him and me.

The thin man now also uncovers himself. Then he starts asking me very medical questions. One is about the "three glands". His knowledgeable air is making it clear that he already knows all the answers. And these implied answers elucidate that I'm suffering from a number of maladies. And these, I assume, contribute and lead to the condition I am supposed to have.

Amazingly, concerning his own condition, he seems to regard this as a privilege sent by god.

A doctor is also present. He's been mute so far but now voices some doubt.

The thin man is not to be shaken.

 

2012-03-06

Ich und meine große Freundin lügen für den Schlossmacher

Meine große Freundin und ich gehen an einem Kaufhaus vorbei, einem dunklen, fensterlosen Block-Gebäude. Wir reden über meinen ehemals besten Freund: den Schlossmacher.

Wir gehen über die leere Straße. Auf einmal sehe ich den Schlossmacher in der Nähe, der uns wohl belauscht. Das ist unangenehm, aber da er nun einmal da ist, sage ich, richtig so, dass er mithören kann, sage ich zu ihr: "Wir müssen dir jetzt die Wahrheit sagen."

Dann sage ihr die Wahrheit - die sie schon wusste.

Da ist der Schlossmacher heran. Er bringt uns zum Stehen und redet zu ihr. Er schärft er ihr ein: niemals, niemals jemandem die Wahrheit verraten, darauf schwört er sie ein. Sie verspricht es. Mir wäre lieber, sie wäre nicht so willig. Aber der Schlossmacher ist ein einfallsreicher Mann, der immer neue Mechanismen erfindet, die dafür sorgen, dass alle Wege verschlossen sind außer demjenigen, den er einem weist. 

Dann verlässt er uns. Weiter über ihn sprechend gehen wir in die entgegengesetzte Richtung. Die Straße ist leer, in der Mitte liegen graue Randsteine, die wohl Straßenarbeiter dagelassen haben. Gerade steigen wir darüber, als ich zu ihr sage: "Bei ihm ist es immer das erste, irgendeine Geschichte zu erfinden." Dann füge ich hinzu: "Ich bin ja nicht schwul. Aber früher war ich geradezu in ihn verknallt und dachte immer: der Schlossmacher, mein bester Freund. - Für den wär' ich durchs Feuer gegangen."

Sie sagt, dass sie nicht viel für ihn übrig habe. Dadurch erscheine ich, der ich ihm einmal so verfallen war, als ein noch größerer Idiot.

Doch ich wundere mich: Warum konnte er sie dann so leicht dazu überreden für ihn zu lügen?

Mir geht durch den Kopf, dass ich im Grunde ja ganz gegen das Lügen bin. Das würde ich ihr auch gerne sagen. Aber ich bringe es nicht über die Lippen.

 

Toilet cleaning and depression

I'm cleaning a water closet that is encrusted with shit like you wouldn't believe. Cleaning the whole thing is hopeless, so I'm just trying to recover a ring of white stoneware immediately above the water level. Even so my efforts hardly touch the crust. I'm using a hand brush that I'm cleaning between strokes by dipping it into the water, getting my hand dangerously near to the shit. Thus it is not long before I get some on my skin; which sucks all power from me, all the little will that I had left.

 

The supernatural dog-torturers

I'm observing a couple in a darkened hotel room: They are torturing a bitch using two white canes. Being magicians with supernatural powers they have levitated the dog, sticking the canes into her fur from two sides, lining them up to make it look as though the poor animal had been impaled on a long white stick.

Later the hotel manager, a fairly large woman, has the bitch on a leash. She is taking her back to the magician's room. The manager suspects something, though nothing near as grave as the truth. And the poor dog can't talk. I'm sure that as soon as they approach the torturer's door, she will start to whine and pull at the leash to get away. To show how scared she is. Maybe then the manager will finally understand.

 

2012-03-02

Ohnmacht und Gefahr

"Schau mal, wie munter er jetzt ist", sagt meine Mutter, weil ich auf dem Waldweg vor meinen Eltern her renne. Ich denke, sie macht ja viel Aufhebens davon, dabei werde ich wohl gleich wieder stehenbleiben, weil ich mich matt fühle und alles sinnlos ist. Auch das Rennen ist sinnlos, da sich der Abstand zu ihnen ohnehin nie vergrößert.

Im übrigen mache ich mir die ganze Zeit schon wegen meiner bevorstehenden Prüfungen Sorgen. Bestände ich die, würde mir freilich das Ansehen zuteil, von dem ich früher einmal träumte. Doch alle Gedanken daran habe ich schon lange beiseite geschoben. Nun kam die Benachrichtigung über das Examen und ich habe bloß noch zweieinhalb Wochen Zeit. Viel zu wenig für diesen schwierigen Stoff, mit dem ich mich jahrelang nicht mehr befasst habe. Ich muss vier Prüfungen ablegen und kann mich nicht einmal mehr an die Namen der betreffenden Fächer erinnern. Ich sitze an meinem Schülerschreibtisch, Namen fallen mir ein, aber ich weiß nicht, ob es die richtigen sind oder ob ich sie mir gar nur ausgedacht habe.

Inzwischen sind wir weitergegangen. All die Kinder und mein Bekannter mit dem scharfen Gesicht sind in einer Höhle verschwunden, deren Wände golden glühen wie ein lügenhaftes Versprechen. Ich hatte gleich Bedenken, deshalb warte ich draußen. Nun kommt einer der kleinen Jungen heraus. Er sagt, dass ich die Polizei holen soll. Ich denke: die Polizei? Die Mühe, der Aufwand, die Unannehmlichkeiten, die damit verbunden sind, schrecken mich ab; und der Junge kommt mir unnatürlich ruhig vor. Ich sage: "Ich glaube, wenn es ernst wäre, dann wärst du aufgeregter." Darauf geht er zurück in die Höhle, und ich werde unsicher, ob ich mich mit meiner Weigerung nicht schuldig gemacht habe.

Doch dann kommen sie heraus: vier kleine Jungen und der Bekannte mit dem scharfen Gesicht. Vier Jungen - aber waren es nicht mehr?

Dann sehe ich den Kokon, den sie mitgebracht haben: schwarz und kantig wie die Schale einer Paranuss. Scheinbar harmlos, aber ich fürchte und sehe gleichsam, dass etwas Insektenhaftes, Wurmhaftes, dass etwas Ekelhaftes daraus kommt.

 

 

 

 

© Anthony Thwaites