MAN   toc   Das Außerirdische tötet
 
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Eine Blumentopfbesatzung trifft auf Mars den sprechenden Bären

Auf einem Felsbrocken, der nah bei einem fernen Planeten im Raum schwebt, sehe ich einen Blumentopf halb voller Schutt, dessen Wandung ist doppelt. Ein Prozess hat dazu geführt, dass dort etwas wächst, was nicht hat wachsen sollen und nicht gewachsen wäre. Jetzt, da ich es sehe, bin ich darüber froh: Eine Pflanze, grün aus der doppelten Trennwand hervorgekrochen, hat von der inneren Wandung etwas abgesprengt. Vorsichtig löse ich ein paar Fragmente und sehe: Das Stämmchen reicht tief hinein in den Hohlraum, vielleich reicht es gar bis an den Boden des Topfs. Abgewendet denke ich an die Zeit, als die Pflanze grau war und erdrückt schien, so dass ich sie für tot hielt: Und gerade da stand sie wohl gar im Begriff die Wandung zu spalten. Ich drehe mich wieder um und sehe, dass noch verschiedentlich Grün aus dem Rand des Topfes sprießt. Ich löse mehr Teile abgeplatzter Wand. Ich denke: Man wird in die Wand hinein gießen müssen um die Pflanzen zu fördern. - Wer hätte das früher gedacht!

So hantiere ich mit Fragmenten, als eine ganz verrauschte Radioübertragung uns erreicht. Alle Mitglieder unserer Kolonie stehen am Topfrand und hören zu. Die Nachrichten kommen vom Planeten Erde, von zu Hause also, und Eine Frau, Kollegin hier vom Topfrand, sagt zu mir: "Deutschland und Polen". Ich weiß, was sie meint, das Radio sagt uns: Deutschland und Polen sind vom Angriff der Außerirdischen komplett vernichtet worden. Mein Gott, denke ich, sind dort jetzt wirklich alle tot?

Die Radioübertragung kommt ja von der Erde und also - wegen der Zeitverschiebung zu ihrer Quelle - aus der Vergangenheit. Muss ja aus der Vergangenheit kommen, denke ich, weil die Entfernung zur Erde so groß und die Ausbreitungsgeschwindigkeit der Radiowellen endlich ist. So sind wir von dort räumlich und zeitlich getrennt.

Wir stehen jetzt auf dem Planeten, die Umgebung ist karg bewachsen, im Hintergrund sind ein paar Erhebungen zu sehen, die an Braunkohlehalden am Niederrhein erinnern, wo ich aufgewachsen bin. Die Radioübertragung schallt aus einem Gebüsch schräg gegenüber.

Diese ganze verwickelte Situation geht mir durch den Kopf: Die Außerirdischen haben also die Erde überfallen und gleichzeitig sind wir hier, auf ihrem Heimatplaneten. Sie dagegen sind nicht hier, sondern auf der Erde, wo sie alles zerstören. Aber wir hier werden die Erde rächen, wir mit unseren Raumschiffen, die wie in Zellophan eingewickelte Brötchen aussehen, das ist unsere Bestimmung. Ich denke: Nachdem wir das interplanetare Reisen auf Brötchen und in Blumentöpfen erfunden haben, wird unsere Technik unaufhaltsam und siegreich fortschreiten, auch wenn sie jetzt, zugegeben, noch nicht sehr eindrucksvoll wirkt.

Während mir dies durch den Kopf geht, wird die Radioübertragung besser verständlich, ich höre jetzt eine bekannte Stimme daraus. Sie kommt von einem riesigen Bären, der aus dem Gebüsch getreten ist, groß wie ein Dinosaurier und mit solchen Zähnen. Trotz des grotesk weinerlichen Tonfalls und des schweren, östlichen Akzents und erinnert mich seine Stimme an Mutter. Er sagt: "Ich habe bloß doch aus meine Heimat gesagt, ich bin eine Jäger aus de Antarktis und finde keine Glück. - Solst doch auch mal vorbeischaun: Kleinerr Kerrll!" Eine  Einladung ist das: honigsüß unerträglich furchterregend gegrollt.

Der Bär dreht sich, verschwindet im Busch wie ein Geist - und plötzlich weiß ich, dass der ganze Planet von solchen gefährlichen Geistern bevölkert sein muss, die zudem auch noch zaubern können. Wie sollen wir ihn da kolonisieren? Entsetzt denke ich: Die Außerirdischen sind also noch hier!

2001-05-30

© Anthony Thwaites