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March 2010

2010-03-31

Ein Vegetarier im Fleischrestaurant

Ich sitze mit einer Vaterfigur im Restaurant und habe gerade den zweiten Gang: Fleisch, hier ist alles nur Fleisch. Ich halte einen Spieß in der Hand, an dessen End ein rundes Wurststück steckt. Das steckt man also zuerst in den Mund.

Die  anderen Stücke sind vertrocknet, der Spieß sieht skeletthaft aus.

Er fragt mich, was ich gerade denke. Ich sage, dass ich eigentlich hätte sagen müssen: Tut mir leid, ich esse kein Fleisch. Aber es sei mir zu spät eingefallen.

Er: "Zu spät eingefallen ..?"

Ich: "Es ist mir gestern erst eingefallen."

Wird er jetzt nicht sagen, dass ich ihm auch gestern noch hätte sagen können, dass ich kein Fleisch esse. Dass ihm gestern Bescheid zu sagen noch genung Zeit gelassen hätte, ein anderes Restaurant für unser Treffen zu finden?

Aber er schweigt.

 

2010-03-30

Der Boss

Ich sitze weit vorn im riesigen Klassenzimmer. Ein Mitschüler von uns ist tot, anlässlich dessen spricht unser Professor. Er spricht über die Beziehung zwischen ihm und einem anderen von uns, den er 'der Boss' nennt. Trotz dieses Pseudonyms weiß ich, dass ich gemeint bin. In dieser Benennung ist eine Verurteilung inbegriffen, auch Schuld am Tod unseres Mitschülers. Das finde ich nicht gerecht. Als unser Professor nahe vorbeigeht, frage ich ihn deshalb: "Wie definieren Sie Boss?" Ich hoffe seine Antwort für ein Gegenargument nutzen zu können. Er antwortet. Leider verstehe ich die Antwort nicht. So muss ich erst einmal schweigen.

Diese abstrakte Rede über den Boss und den Verstorbenen geht immer weiter. Und hat mit meiner Wirklichkeit immer weniger zu tun. Deshalb entscheide ich schließlich mich zu outen. Ich weiß auch schon, was ich sagen will. Ich stehe auf, marschiere vor aller Augen diagonal auf das Lehrerpult zu. Ich bin nackt, aber das ist nicht so schlimm, da all meine Mitschüler auch nackt sind. Ich stelle mich neben den Professor hinter das breite Pult, das meine Blöße bedeckt. 

Die Aufmerksamkeit des Saals habe ich durch meinen Marsch schon gewonnen, so öffne ich den Mund und sage: "Es handelt sich hier um mich." Da lächelt der Professor. Offenbar hat er genau das beabsichtigt: Mich zu einer Stellungnahme zu provozieren. Das ist mir jetzt aber egal, ich will reden. Ich sage: "Meine Beziehung zu ihm war schwierig: Er war oft etwas grob zu mir, was ich nicht mochte. So war ich auch etwas grob zu ihm. Aber daraufhin fiel er immer gleich in ein seltsam unterwürfiges Benehmen, als ob er mein Diener sei, was ich nicht mochte. Wenn das geschah, habe ich ihm stets den Rücken zugewendet."

Hier entsteht Unruhe im Publikum, als hielten sie meine Reaktion - ihm den Rücken zugewendet zu haben - für besonders unangemessen. Ich verstehe das nicht. Aber ich bin stolz darauf die Wahrheit gesagt zu haben, so wie sie aus meiner Sicht war. Dieses Gefühl wärmt mich noch eine Weile. Bis schuldbewusste Gedanken kommen, schwarzes Gekräusel vor einem hellem Streifen. Ich habe ihn nämlich geschlagen. Und das habe ich hier nicht öffentlich gestanden: Das ich ihn schlug, obwohl er mich nicht schlug. Aber ich war so wütend, so hilflos wütend, dass ich nicht anders konnte.

Aber das würden sie nicht verstehen.

 

2010-03-17

The shit container

In a public space a hole was opened by removing one of the large slabs that make up the pavement. I have gone down there to do my task: The pit contains an open bunker full of shit which needs to be emptied into the sewage below. It is nessecary maintenance work that must be done to prevent an emergency. I've had to do this before, it was difficult.

I'm standing lower than the bottom of the container the rim being a bit above my head. Reaching over the edge with a shovel I'm scraping along the ascending bottom towards the rim, towards me. Each time I have moved a scoopfull near the rim it comes out with almost explosive force. Some of it has hit me for sure but I want to believe that it hasn't. I daren't even look at myself for fear of seeing the horrid stuff splattered all over my jumpsuit. I eventually hide behind a corner (which makes handling the scoop rather awkward). Taking a break, summoning my courage to look at myself I see that I have indeed been soiled. I think I see not just splashes but lumps of shit sitting on my front. Shaking with disgust I daren't hazard a second look.

Meanwhile the shit is piling up at my feet; I'm worried that it will clog the sewage. A couple of young people are watching me from a distance. They must be thinking that I'm mad.

I must continue.

 

Walking the dog; the centipedes; my cowardice and guilt

I'm in a park walking my dog. He is rather agitated; possibly he hasn't had enough exercise I'm thinking. Now he's sitting down to relieve himself. There seems to be a problem, he's whining a bit. So this may actually have been the reason for his restlessness. Apparently he's having a problem defecating.

Bowing down I see that he's trying to eject a string-like object. Looking still closer I'm apalled to see that it is a kind of worm. However, that worm is leaving him now. So he will be rid of it. But it is worrying that the thing seems to be still alive. Then it hits the ground and is actually crawling away. It's a segmented creature, like a centipede. Its segments are a dull white. There may be a hundred of them - and two hundred legs. Looking still closer I'm now seeing just one of those typically arthropod legs: a sharp angle, a thorn of some kind - looking dangerous. It may be able to somehow sting.

A centipede or whatever, it obviously is a parasite, isn't it? Which means that we urgently need to go to the veterinarian!

I'm thinking that I really should kill the worm to keep it from afflicting others. But I'm scared; too scared even to try. I'm thinking that I wouldn't know how to go about killing it and a clumsy attempt could lead to harm. I might harm myself.

While we're walking away I'm still mulling this over: if only I were a specialist at destroying that kind of thing. But I'm not. I'm trying to vindicate myself before myself telling myself that I'm not a specialist at killing worms, am I?

The dog is having problems again: trying to defecate again. What emerges is another of those ghastly creatures. And then, a bit further along, he excretes a third one. Poor guy, he really is riddled with them.

I still feel bad about not killing the things. But my guilt is now somehow numbed with the repetition.

 

2010-03-15

Wut auf den Balken des Meisters. Ich lasse mich heimlich verhaften, aber nicht hypnotisieren

In einer unterirdischen Museumshalle arbeiten der vierschrötige Meister und ich an einem großen, alten Kunstwerk, das der Meister geschaffen hat. Es besteht aus dicken Balken. Was klappen soll, klappt nicht. Der Meister ist ärgerlich. Ich will, dass er das Kunstwerk schlägt. Er schlägt mit einem scharfkantigen Stahlträger auf einen dicken, waagerechten Balken. Dadurch entstehen kleine Beschädigungen im spröden, alten Klarlack, mit dem die Balken gestrichen sind. Eingedenk dessen, dass es sich ja um ein Musemusstück handelt, wische ich die abgesplitterten Brösel von der Oberfläche des Balkens. So sieht es schon besser aus, man sieht die Beschädigung noch, aber nicht so sehr. Ich denke auch, es sei nicht so schlimm, weil der Meister ja schlug und er selber der Urheber des Kunstwerks ist.

Wie sich aber herausstellt, wurden wir beobachtet, ein Mann vom Geheimdienst kommt auf mich zu. Der erklärt, betont ruhig, was ich jetzt zu tun habe: von hier aus in eine bestimmte Richtung davongehen. Ich würde dann auf zwei Männer mit Aktentaschen treffen. Ich solle mir aber nichts anmerken lassen. Ohne sie direkt anzusehen, solle ich zwischen ihnen gehen. Zwischen ihnen gehend würde ich dann weitere Instruktionen hören. Ich verstehe: das bedeutet, dass ich als der für die Beschädigung des Kunstwerks Verantwortliche verhaftet werde.

Ich folge den Instruktionen. Davongegangen und in's Freie getreten sehe ich auf Gehsteigplatten unter Frühlingsbäumen zwei große Männer, einige Meter voneinander entfernt stehend tragen sie gleiche Anzüge und gleiche Aktentaschen. Ich steige eine Bürgersteigkante hinab, überschreite eine schmutzige Ecke Asphalt, steige eine Bürgersteigkante hinauf. Anweisungsgemäß gehe ich auf sie zu ohne sie direkt anzusehen.

Die Männer stehen am Anfang eines langen Bürgersteigs und sehen mich nicht an. Sobald ich sie erreiche beginnen auch sie zu gehen, so dass sie mich flankieren. Das sehe ich aus den Augenwinkeln. Ich kriege ein unheimliches Gefühl, obwohl bisher ja nur geschieht, was in den Anweisungen vorgesehen war.

Einer der Männer beginnt nun zu sprechen. Er befielt meinen Blick auf einen Ausschnitt der Gebäudefassaden schräg gegenüber zu richten. Ich folge, der erwähnte Bereich liegt in der ersten, zweiten Etage und umfasst Fassadentelie, die in sehr unterschiedlichen Farben gestrichen sind, einer davon purpur. Das zu fokussieren solle mir helfen nicht aufzufallen, sagt der Mann.

Dann beginnt er mir zu suggerieren, dass ich jetzt müde werde. Wie elektrisiert begreife ich, dass er versucht mich zu hypnotisieren. Trotz meiner bisherigen Bereitschaft Weisungen blind zu folgen, macht mich das so wütend, dass ich nicht mehr gehorchen kann!

So wache ich auf.

 

2010-03-11

Coprophilia in my parent's house

Returning to my parent's house I find it very untidy. We have dogs, and while I was away the younger one has apparently become unclean: looking around I see dog dirt everywhere among the litter on the floor. Among and between piles of discarded things lies fresh excrement wherever I look. Reminding of sausages - I don't know. Apparently my mother has entirely given up on cleaning - and on controlling the dog. It is all very disgusting. But every time my gaze touches shit I have the idea that I must clean this up. Which is quite impossible given the ubiquity of the stuff. Nonetheless my compulsion grows by the dog pile until it becomes impossible to resist: I must look for something, anything, to clean up with. 

Having found some paper tissue I use that to collect the latest pile of faeces that I've encountered and dispose of it into a waste bin that happens to be around. Dealing with the moist reeking snake makes me shudder. But in spite of my disgust I  feel compelled to take on another one but have now no tissue left and don't know what to clean it up with. - I finally give up trying.

Then I'm in a shop on the other side of the street. It is empty but, surveying the floor, I again see a piece of excrement there. Three objects are lying at the base of a black counter: the faeces, a fried chicken, and thirdly an animal of  strange proportions: long, black, furry and not. Again I'm feeling the impulse to clean, scoop up all three and dispose of them. I have a shovel already in my hands but looking at the chicken I'm thinking it's a pity to throw good food into the dumpster. The animal, unlike me, hesitates no more. Coming towards me it reveals its size.

 

2010-03-09

Schlechte Orangen

Ich stehe mit meiner Mutter in der Küche. Ich greife in das Orangennetz, in das sie auch schon gegriffen hat. Mir fällt auf, dass sich überall auf und zwischen den Orangen ein Gespinst weißer Fäden spannt: gummiartig, dicker als Spinnweben. Ich reibe es notdürftig ab, dann greife ich nach einer kleinen Orange, nehme sie heraus, aber bemerke eine weiche Stelle an der Schale. Ich rieche daran, es riecht schlecht. Ich werfe die Orange weg.

So fahre ich fort: werfe Orangen weg, eine nach der anderen, weil alle weiche Stellen haben, die schlecht riechen. Das Netz ist schon halb leer, ich denke schon, dass am Ende gar keine übrig bleibt, als ich doch noch eine finde, eine große diesmal, die keine weiche Stelle hat und außen an der Schale nicht schlecht riecht.

Ich schäle, doch gleich klafft eine riesige Wunde bis in den Kern, als habe sich das Innere verflüssigt. Ich denke: so leicht geht Orangenfleisch sonst nicht kaputt, es muss verdorben sein.  Rasch entscheide ich auch diese wegzuwerfen und sage zu meiner Mutter: "Sind alle schlecht, die Orangen." Sie, auch nicht in guter Verfassung, nickt fatalistisch.

 

Mein Feind küsst

In einem Hof, auf drei Seiten Mauern, stehe ich, ein Mitschüler vor mir, der immer mein Feind war. Er ist groß, im Anzug. Er steht nah vor mir, vertraulich, als ob das naturgemäß sei. Als ob wir ein Paar seien.

Ich bin unsicher, aber was für ihn selbstverständlich ist, ist wohl selbstverständlich.

Dann küsst er mich, die Lippen berühren sich. Das verunsichert mich wieder und stört mich auch etwas, weil ich denke: Ich bin ja eigentlich keine Frau - oder?

Weiter steht er so nah, und küsst wieder, ich denke aber immer noch, dass ich keine Frau bin. Ich bin wirklich unsicher: ist nicht falsch, was passiert?

 

2010-03-01

The sad fate of sperm slaves

I'm in an airport with high windows like in a cathedral. Having moved along on a ledge that is half way up the wall I have now come to its end. So I must jump off. The ground down there is paved with slabs of a beautiful black stone. I see a tall man in an overall, a cleaner presumably, who is busy squirting some liquid all over the place. The stuff is milky, almost transparent, but strongly reflective at the surface. I suppose it is a cleaning fluid.

Jumping off I commence sailing down and, in the process, push myself off the wall with the tips of my outstretched fingers: I want to amend my trajectory, to avoid landing in the area of puddles around the man. It works out nicely. Having reached dry ground I start running: through a doorway, down a dark hall. But I'm not getting away from the liquid on the ground, all the time I  have to sidestep more puddles, actually they are becoming impossible to avoid. And running through them is nasty: the stuff is thicker than water, slippery and sticks to my soles.

There is a balustrade to my left beyond wich lie the immesurable and empty black bowels of this place. A woman in a dress of silvery gray is leaning with her back to the railing. She looks Arab, rather self-satisfied, talking into her mobile phone oblivious of everything else. She's wearing sandals on her bare feet and running by I notice one very large, silver-painted toenail sticking out. It is a grotesque sight. But she apparently even feels beautiful exhibiting such an ugly part.

Having passed her and, after reaching the end of the corridor, descending a curved counter-clockwise stairway I still hear her voice like a running commentary in my ear. She is talking on the phone to her girlfriend, now about seed. - A strange subject, are Arab females not supposed to be decorous? But the meaning is clear: seed equals sperm. She's talking about a man, her father, a great man whom she greatly admires, who apparently has donated his seed. She seems to be quite enthusiastic about it. Nonetheless, she advises her friend not to take this:

"Oh no, don't take this .."

Continuing down the spiral I hear her talking about prisoners now: men enslaved by the sperm bank. Specifically she's referring to one of them as a "soldier of Britain in too much oil". Indeed, I know him, know about his fate: He is an Englishman and already at the time when he was taken prisoner wasn't in a good way. "They don't last very long", I hear her saying, so I suppose that the prisoners are squeezed dry by the bank until they dwindle into nothingness and, I presume, die. It looks as though the Englishman is lost, poor soul.

Having reached the ground floor, I'm now moving down a clinically clean hall towards a distant exit radiating daylight. Walking  past alcoves with state-of-the-art medical appliances I see in one of them a number of coffin-sized containers sitting on raised platforms. Containing, I suppose, the sperm slaves.

 

© Anthony Thwaites