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August 2012

2012-08-29

Mein fremdes Kind und meine fremde Freundin

Ich stehe im Schlafzimmer meiner Großeltern neben dem großen, schwarzen Sargkoffer aus dem Schlafzimmer meiner Eltern. Die ganze Familie ist da, wir unterhalten uns über mein abwesendes Kind. Treuherzig gestehe ich ein: "Ich habe mich nie darum gekümmert, ich hab' immer jemand anderen gefunden, der sich darum kümmert es zu versorgen." Mir geht durch den Sinn, dass ich schon zuviel gesagt habe: unvorsichtig und naiv, das hier so offen auszuposaunen. Schuldbewusst überlege ich, dass ich ja auch ziemlich oft und jeweils wochenlang fort war; es war einfach die Verantwortung für das Kind dann jemand anderem zu übertragen.

Gleich neben dem schwarzen Koffer hockt ein weibliches Wesen mit goldgelben Locken. Sie schaut mich von unten an wie ein kleines Mädchen und fragt treuherzig, ob wir zusammen fortgehen. Offensichtlich meint sie: zusammen in eine gemeinsame Zukunft, als ob wir ein Paar seien. Seltsam, doch warum sollte ich sie zurückweisen? Ich gebe ihr einen Kuss auf die Lippen. Und frage mich gleich, ob es klug war das vor der Familie zu tun, damit habe ich ja schon beinahe etwas besiegelt. Sie hat auch meinen Kuss nicht erwidert und überhaupt nicht reagiert, wie ich erwartet hatte.

Merkwürdig, ich liebe sie gar nicht.

 

2012-08-28

"Don't worry, I won't kiss you"

A female tramp in a shiny black raincoat and patent leather boots is sleeping on a bench by the roadside; one of her legs is drawn up, the other on the ground. I want to sit on this bench. I want her gone but I have to settle for a narrow space at the one end. Her shiny black boot almost touches my thigh.

I suddenly see that she's missing a shoe. I put the shoe back on her foot. That's  more intimate already than I wanted to become with her.

Then I start pulling her onto my lap; only as a precursor to moving her off the bench, it will be easier to pull her up that way. But she's awake now, I could just tell her to go away. Instead I continue moving her onto my lap - solely because of having imagined it, I'm aware of that, still I'm doing it. This is crazy.

She's on my lap now. I am further away than ever from getting her to leave.

She is definitely fully awake now and leaning back a little to keep her face away from mine. I think she's afraid that I'm going to kiss her. I say: "No, I won't kiss you, don't worry, don't worry, I won't kiss you."

She seems reassured, then kisses me. Only a short touch of her lips on mine, so  soft and sticky that it makes me shiver.

How do I get rid of her now?

 

2012-08-27

Mother's condition

We're upstairs in mother's bedroom, a small windowless stuffy room, illuminated in electric light. She is lying down on her bed, wearing a silky blue dress that clings tightly to her large body.

We're having an ongoing affair, I think she wants to sleep with me now. It has a kind of sick appeal, so I'm prepared to get on with it.

But she stops me, saying: "You know the condition."

No, I don't. I was just going to do what I thought she expected of me.

The condition is, she explains to me, that I must agree to always comply with her wishes.

Then there is something like a ripple throughout the air, an unprecedented phenomenon that I understand. I can't do anything now but wait for it will make anything explode that is used as a means to stop it.

 

2012-08-21

Der Barfuß droht

Ich mache einen Spaziergang durch den Wald. Als ich an eine Kreuzung komme, fühle ich mich schwächlich. Deshalb nehme ich keinen der Wege, sondern trete in die Bäume um meine Runde abzukürzen. Ich laufe über Laub und verrottendes Holz, das ist metertief unsicherer Grund, der leicht einbrechen und mich verschlucken  könnte. Ich nähere mich wieder dem Waldrand und dem Weg, der ihn säumt, als ich die Stimme einer Bekannten höre, die Polizistin ist. Scheinbar redet sie über Sprechfunk mit ihrem Kollegen, es geht um die Verfolgung einer Person.

Als ich zwischen den Bäumen hervortrete, sehe ich sie; und weit hinten auf dem Weg einen Mann, so weit, dass ich ihn nur als Fleck wahrnehme oder besser gesagt: seine Position erscheint durch einen Fleck überdeckt, der aussieht wie eine schwarze Flagge über einem trostlosen Meer flacher Äcker und Felder. Ich denke an barfüßige Piraten, die sehr bedrohlich sind.

Die Polizistin geht von mir weg. Ich sehe, dass sie barfuß ist. Ich stelle mir vor, wie sie sich trotz ihrer verletzlichen Barfüße dem Verbrecher nähert und polizeiliche Autorität durchsetzt. Hoffentlich geht das gut.

"Viel Glück!", rufe ich ihr nach. Sie dreht sich um, unsicher, wer da hinter ihr ruft. Ich wiederhole: "Viel Glück!" Hoffentlich erkennt sie mich. Polizisten, die einen nicht erkennen, können gefährlich werden.

 

2012-08-18

Wasserverschmutzung

Ich sitze im Kellercafe an einer braunen Theke, die Bedienung fragt mich: "Wollen Sie den Kaffee?" - "Ja" - "Und das Wasser?" Ich denke: Natürlich, Wasser ist wichtig. Ich sage: "Ja" - "Sicher?" - "Ja!"

Das sei aber nicht mehr ganz frisch, die Bedienung zeigt auf mein volles Glas. Ich schaue es mir genau an. Auf dem Wasserspiegel liegen zwei Flecken, Schimmel oder - als ob jemand hineingespuckt hätte? Aber Wasser ist kostbar, ich kann nicht darauf verzichten und nehme einen tiefen Schluck. Es schmeckt warm, vielleicht etwas schleimig, einen Hauch salzig. Schwarze Körner wirbeln darin.

Der Geschmack ist an sich ertragbar.

Die Wasserverschmutzung ärgert mich aber: dass die Verantwortlichen in diesem Lokal nicht Obacht geben, dass so etwas nicht passiert.

 

2012-08-11

A bad banana experience

We're waiting to be served at the fruit stall. Banana bunches are sitting on the counter. One is hanging from a piece of lumber above, I suppose those are to be sold first.

I was there first but I couldn't decide which bananas I wanted. Two men came, an older and a younger one, both much bigger than me. Somehow I let them stand before me.

Some of the bananas have gone bad, their peel is slimy. One has burst open at the end, the inside is soft and full of dark brown seed-like stains. Then I glimpse bad ones in the bunch above.

After some brisk selling of bananas there are only two bunches left, one of which has gone entirely bad. The two men before me buy the good one.

But I should have been served first and they took advantage of me and I just meekly let it happen and gave up my rights! Bananas are so important to me and now I don't get any. - None! - Not any!

 

Gedanken an Sturz

Ich stehe hoch oben auf einer Treppe aus Metall, rechts außen am Hochhaus. Um mich, unter mir: ein Gespinst aus Stangen und Stufen.

Ich stelle mir vor, was wäre, wenn ich über das Geländer spränge, über dieses und alle Metallgespinsttreppengeländer; was, wenn ich in weitem Bogen hinein in den Abgrund spränge, der sich auftut zwischen allen ausladenden Ausläufern der Treppe und einer Wand aus Beton.

Ich denke an einen Sturz von früher: wie der Moment des Auftreffens das letzte war, woran ich mich erinnerte; bevor ich zu mir kam.

Ich stelle mir vor, was wäre, wenn ich vom Dach des Hochhauses in den schwarzgrünen Rasen spränge.

Könnte ich das überleben?

 

2012-08-08

Communism and autocracy

I'm standing on a balcony, looking at the unkempt lawn between the appartment blocks. I'm thinking about how strips of ground might be subdivided and apportioned to the people with the balconies. But it is clear that the owner won't give up his property, nor will the state intervene. But I notice one sample, a strip of earth all brown with dead grass as though it had been covered with a tarpaulin.

I'm floating up in the air, rising above the housing estate towards where the detached houses are sitting in their neat little rows, all red tiles and narrowmindedness. And beyond those the main road undulates like a snake flow of asphalt out of the woodlands. I'm thinking that to distribute the land one probably must first conquer it by main force. I realize that my ideas of repossession are along the lines of  the dead Russian: King Grabin who communalized everything, then grabbed it for himself.

Having crossed the road I'm walking up the approach to the airport where the King often sat in the cafeteria making speeches. He is still admired, I'm afraid.

 

2012-08-03

Die Spinde am Bahnhof

Meine Bekannte und ich stehen vor den Spinden am Bahnhof. Neuerdings muss man durch so eine Blechtür kriechen um zum Zug zu gelangen. Ich sage: "Als ich das erste Mal hier stand, war ich völlig ratlos."

Ich drücke einen Euro in einen Münzschlitz, der Spind geht auf. Er hat keine Rückwand, also könnte man durchgehen. Aber der Raum ist besetzt: An der Wand hängt eine Klo-Rolle in geblümtem Einschlagpapier, dahinter ein dunkler Kittel; auf dem Metallboden steht eine Toilettenreinigungsbürste. Das sind  Dinge, die jemandem gehören. Also ist der Durchgang verboten.

Aber die Tür hat meine Münze geschluckt. Das sollte nicht sein, ich finde empörend, dass jemand einen Spind belegt ohne zu bezahlen.

Ich überlege das Verbot zu ignorieren, die drei Dinge sind zwar im Weg, aber man kann sich vorbeidrücken. Da hören wir eine Stimme. Jemand beschwert sich, dass wir einen Spind geöffnet haben, der bereits belegt sei.

Wir müssen es also woanders versuchen, ich hole Münzen aus meiner Hosentasche. Doch die anderen Spinde sind alle belegt. An einer Tür hängt eine Gebrauchsanweisung, ich lese sie, aber finde nichts Neues.

Ich sehe mich um. Meine Bekannte ist verschwunden. Ich gehe zurück, blicke um die Ecke des Spindeschranks. Sie steht am Eingang zum Bahnsteig und redet mit einem Beamten. Ich höre sie dringend bitten, ob es nicht irgendeine außerordentliche Abfertigungsmöglichkeit für uns gebe. In fünf Minuten fährt der letzte Zug.

Doch der Beamte besteht darauf, dass Gepäckabfertigung nur möglich ist, indem man durch einen Spind geht. Sehnsüchtig denke ich an bessere Zeiten, als man einfach mit seinem Koffer in den Zug stieg.

 

 

 

© Anthony Thwaites